Programm

13. Juni 2025, FHNW Campus Muttenz

08.45Eintreffen
09.15Begrüssung der Veranstalter*innen
Aline Schoch, lic. phil. und Dominik Bodmer, MA, Institut Kinder- und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Einführung
Dr. Clarissa Schär, Institut Kinder- und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
09.30Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Familien, im sozialen Nahraum und in Institutionen. Ausmass, Hintergründe und Herausforderungen für den Kindesschutz
Prof. Dr. Andreas Jud, Universitätsklinikum Ulm & ZHAW Soziale Arbeit
10.30Pause
11.00Drei parallele Vorträge:

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Familien und im sozialen Nahraum
Prof.in Dr. Sabine Andresen, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien und Institutionen
Dr. Lea Hollenstein und Dr. Susanne Businger, ZHAW Soziale Arbeit

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im digitalen Raum
Prof.in Dr. Rahel Heeg, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
12.15Stehlunch
13.15Nachmittags-Workshops
14.45Pause
15.15Handlungsansätze für den Kindesschutz bei sexualisierter Gewalt in Familien und Institutionen: Möglichkeiten der Intervention und Prävention
Dr. Susanne Witte, Deutsches Jugendinstitut DJI München
16.15Ausblick und Schluss
Dr. Brigitte Müller, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Vorträge

Prof.in Dr. Sabine Andresen, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Geschichte und Gegenwart der Familie zeigen: Sie ist nicht per se ein sicherer Ort für alle Familienmitglieder. Familie kann ein Ort der Gewalt sein und insbesondere Kinder sind dadurch besonders vulnerabel. Der Gewaltforscher David Finkelhor führt die Vulnerabilität in der Kindheit darauf zurück, dass Kinder keine eigenständige Kontrolle über ihre Mitmenschen haben. Besonders deutlich wird dieser Sachverhalt bei der Familie: Weder suchen Kinder sich diese aus noch haben sie großen Einfluss auf Veränderungen wie Trennungen, neue Partnerschaften, Erkrankungen von Pflegepersonen und neue Zuständigkeiten etwa durch Großeltern oder andere Verwandte. Der Vortrag konzentriert sich auf sexuelle Gewalt in der Familie und geht auf Erkenntnisse aus Berichten betroffener Menschen an die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Deutschland ein. Wenn die eigene Familie der Ort erlebter Grenzverletzung und sexueller Gewalt ist, erschwert dies für Betroffene, Hilfe und Unterstützung zu finden. Auch Familienmitglieder, die helfen wollen, wissen oft nicht wie. Insofern wird hier besonders deutlich, dass die Familie und Familienmitglieder auf Beratung und Unterstützung angewiesen sind.

Dr. Lea Hollenstein und Dr. Susanne Businger, ZHAW Soziale Arbeit

Im Referat wird die Forschung zu sexualisierter Gewalt in Pflegefamilien und in sozialpädagogischen Institutionen beleuchtet. Es wird dargelegt, was für Forschungsergebnisse zur Prävalenz vorliegen, was zu Betroffenen und insbesondere gefährdeten Kindern und Jugendlichen bekannt ist und wie Tatpersonen vorgehen, um die Gewalt vorzubereiten, durchzusetzen, geheim zu halten und das Umfeld zu täuschen. Insbesondere interessiert auch, was die Forschung zu Risiko- und Schutzfaktoren sexualisierter Gewalt sagt. Vor diesem Hintergrund werden die Ergebnisse einer aktuellen nationalen Studie der Zürcher Fachhochschule zur Prävention von sexualisierter Gewalt in sozialpädagogischen Einrichtungen vorgestellt. Wir legen den aktuellen Gewaltschutz dar und diskutieren: Was gelingt ihnen gut und wo konnten blinde Flecken festgestellt werden? Welche Schlüsse lassen sich daraus für einen effektiven Schutz vor sexualisierter Gewalt von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien und Institutionen ableiten? 

Prof.in Dr. Rahel Heeg, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Der digitale Raum ist wichtiger Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Neben vielem Positiven beinhaltet dies für Kinder und Jugendliche auch vielfältige Herausforderungen. Der Beitrag beleuchtet sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum. Sexualisierte Risiken reichen von unerwünschten sexualisierten Inhalten bis zu sexuellem Missbrauch, der im Rahmen eines sorgfältig geplanten Cybergrooming-Prozesses über scheinbar unverfängliche Kontakte vorbereitet wird. Im Vortrag wird ein Überblick über sexualisierte Onlinerisiken und sexualisierte digitale Kindeswohlgefährdungen gegeben und wird anhand von Stimmen aus einem Forschungsprojekt Einblick in die Erfahrungen und Einschätzungen von Jugendlichen gegeben.

Workshops

Arzu Kücükavci, BA, Kinder- und Jugenddienst Basel-Stadt
Elena Spinnler, lic.phil., Opferhilfe Basel-Stadt

Im Workshop befassen wir uns mit verschiedenen Formen von sexualisierter Gewalt an Kindern in unterschiedlichen familiären Konstellationen. Neben den rechtlichen Aspekten wird auch die interprofessionelle Zusammenarbeit verschiedener relevanter Akteur*innen im Kindesschutz thematisiert. Es werden mögliche Vorgehensweisen beim Verdacht auf sexualisierte Gewalt anhand eigener Erfahrungen aus der Arbeit mit betroffenen Familien diskutiert sowie mögliche Präventionsansätze zum Schutz von Kindern vor sexualisierter Gewalt in familiären Konstellationen aufgezeigt.

Marina Jumo, BA, CASTAGNA – Beratungs- und Informationsstelle für sexuell ausgebeutete Kinder, Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer

Im Workshop erhalten Fachpersonen einen Überblick über die zentrale Rolle, die sie im Umgang mit Kindern und Jugendlichen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, spielen. Wir erarbeiten, wie Sie Anzeichen von Gewalt bzw. Traumafolgen frühzeitig erkennen und Betroffene angemessen unterstützen können. Dabei wird auf rechtliche Rahmenbedingungen, die Zusammenarbeit mit Fachstellen und Institutionen sowie den Umgang mit emotionalen und psychologischen Herausforderungen eingegangen. Der Kurs bietet praxisnahe Handlungsempfehlungen, um Schutzräume zu schaffen und die Betroffenen durch empathische Begleitung zu stärken. Ziel ist es, Ihnen das notwendige Wissen und die Werkzeuge zu vermitteln, um in Ihrer Rolle Sicherheit zu gewinnen und den Kindern und Jugendlichen bestmöglich zur Seite zu stehen. 

Prof.in Dr. Rahel Heeg, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
Jacqueline Sidler, lic. phil. und Dr. Monique Brunner, Kinderschutz Schweiz 

Der Workshop fokussiert sexualisierten Grenzverletzungen von Kindern und Jugendlichen im digitalen Raum. Diese können schwerwiegende Folgen haben und zu einer Kindeswohlgefährdung führen. Die Beurteilung einer sexualisierten digitalen Kindeswohlgefährdung ist für Fachpersonen ein komplexer Prozess, der spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert. Der Workshop sensibilisiert Fachpersonen für sexualisierte Kindeswohlgefährdung im digitalen Raum und bietet Reflexionsmöglichkeiten. Ziel ist es, das Verständnis für die komplexe Dynamik sexualisierter digitaler Kindeswohlgefährdung zu fördern und die Handlungskompetenz von Fachpersonen im Umgang damit zu stärken. 

Adrian Essl, Projektleiter «Cybersexualdelikte», Kinderschutz Schweiz

In diesem Workshop erhalten die Teilnehmenden einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise von clickandstop.ch – die nationale und anonyme Meldestelle gegen Pädokriminalität und sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Internet. Die Teilnehmenden erfahren mehr über aktuelle Entwicklungen im Bereich der digitalen sexualisierten Gewalt und werden in effektive Schutzstrategien eingeführt. Anhand realer Fallbeispiele erhalten Sie einen Einblick in die tägliche Beratungs- und Auskunftstätigkeit der Meldestelle. Der Workshop vermittelt praxisnahe Erkenntnisse über die Herausforderungen dieser Arbeit und zeigt, wie clickandstop.ch aktiv zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beiträgt.

Valeska Beutel, lic. phil., Limita – Fachstelle zur Prävention sexueller Ausbeutung

Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt kommen auch in (sozial-)pädagogischen Kontexten vor. Eine effektive Präventionsstrategie kann das Einführen von Schutzkonzepten in Institutionen sein. Schutzkonzepte bestehen aus verschiedenen Bausteinen und legen neben der Anlage von schützenden Strukturen auch ein Augenmerk auf die Haltungen und Handlungen von Fachpersonen. Die in Schutzkonzepten enthaltenen Bausteine beinhalten u.a. Qualitätsstandards für die professionelle Beziehungsgestaltung, für die Hinterfragung von Nähe und Distanz sowie für Rollenklarheit. Sie sollen den Fachpersonen mehr Handlungssicherheit im Umgang mit uneindeutigen oder möglicherweise grenzverletzenden Situationen geben. Anhand der Auseinandersetzung mit der Dynamik zwischen Opfer, Tatperson und Umfeld sowie anhand von konkreten Situations- und Fallbeispielen werden die Teilnehmer*innen für die Wichtigkeit von Schutzkonzepten sensibilisiert und lernen verschiedene Bausteine für Schutzkonzepte kennen. 

Dominik Bodmer, MA, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
Prof. em. Dr. Stefan Schnurr, Fachberatung Kinder- und Jugendhilfe

Erziehungseinrichtungen/Kinder- und Jugendheime unterstehen der Aufsicht und müssen mindestens alle zwei Jahre von der im Kanton zuständigen Behörde/Fachstelle besucht werden. Ob und wie die Heimaufsicht einen Beitrag zum Schutz der in Heimeinrichtungen lebenden Kinder und Jugendlichen vor Gewalt, Übergriffen und Integritätsverletzungen leisten kann, ist bisher noch wenig diskutiert worden. Im Workshop stellen wir ein rechtebasiertes Aufsichtskonzept vor, welches im Projekt «Wissenschaftliche Begleitung neue Aufsicht über Kinder- Jugendheime im Kanton Basel-Landschaft» entwickelt und erprobt wurde. Auf dieser Grundlage möchten wir darüber diskutieren inwiefern sowohl die verschiedenen Komponenten des Aufsichtskonzepts (wie zum Beispiel rechtebasierte Standards für die Aufsicht oder Gespräche und Begehung der Institution mit Kindern im Rahmen des Aufsichtsbesuchs) als auch das Aufsichtskonzept insgesamt dazu verhelfen können, sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen in Institutionen vorzubeugen, die Aufdeckung sexualisierter Gewalt zu unterstützen, Hinweisen sexualisierter Gewalt angemessen nachzugehen und bei sexualisierter Gewalt adäquat zu intervenieren.

Prof.in Dr. Susanna Niehaus, Hochschule für Soziale Arbeit HSLU

Gespräche mit Kindern bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt sind besonders heikel, da die Aussage des Kindes in einem etwaigen späteren Strafverfahren in der Regel alleiniges Beweismittel ist, welches nicht durch unsorgfältige Befragung zerstört werden darf. Da in Trainings aufgrund der Thematik aus ethischen Gründen keine Kinderschauspieler:innen eingesetzt werden können, fehlten bislang in Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen angemessene Übungsmöglichkeiten. Eine speziell hierfür entwickelte Software macht es nun möglich, angemessene Befragungstechniken vollkommen risikolos zu erwerben. Fachpersonen aus Justiz und Polizei sollen künftig mittels virtueller Charaktere ihre Befragungstechnik trainieren können, indem sie vom System systematisches Feedback zu ihrer Leistung erhalten. Nach einer kurzen thematischen Einführung erhalten Teilnehmende die Gelegenheit, die Software in Kleingruppen selbst auszuprobieren und die Frage zu diskutieren, inwiefern das Training sich auch für Fachpersonen im Kindesschutz eignet. 

Tagungsmoderation

Dr. phil. Clarissa Schär, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut Kinder- und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Die Tagung wird finanziell unterstützt durch das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

×